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Digitale vs. traditionelle Modellierung | Zwei Methoden im Vergleich

Diejenigen unter euch, die mich schon seit einer Weile auf Instagram verfolgen und regelmäßig auf meiner Website vorbeischauen, werden sicherlich bemerkt haben, dass ich in den letzten Wochen und Monaten immer wieder mal andere Dinge abseits der Modellierung ausprobiert habe. Von klassichen Zeichnungen mit Stift und Papier, über digitale Zeichnungen am iPad, dem Schreiben von kleineren Büchern zum Thema Sculpting, 3D-Druck, bis hin zur digitalen Modellierung von Characteren am iPad mit der App Nomad Sculpt. Der Grund ist relativ einfach: Ich tue all diese Dinge sehr gern und entdecke gerne neue Wege, meiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Die Umstellung von traditionell auf digital – sei es Zeichnen oder Modellieren – erfordert es jedoch, sich in Programme, Apps und Arbeitsabläufe reinzudenken und neue Dinge zu erlernen. Das geht leider nicht von heute auf morgen und erfordert Zeit. Deshalb kommt es öfter mal vor, dass ich mich einige Wochen einem ganze speziellen Thema widme, ehe ich wieder Clay in die Hand nehme und eine Figur modelliere.

Eine kleine Sache ist mir jedoch während der gesamten Zeit aufgefallen: Alles geht Hand in Hand und hängt in irgendeiner Art und Weise zusammen. Zuerst habe ich eine Idee, die ich aufmale und/oder skizziere. Dann versuche ich es dreidimensional umzusetzen, indem ich ein Stück Clay forme oder es digital modelliere. Das ganze halte ich fest, indem ich Bilder schieße, diese bearbeite und im besten Fall etwas dazu schreibe. Manchmal kommt sogar ein Video bei rum. Und wenn alle Stricke reißen,  schreibe ich sogar einen Beitrag auf meiner Website. Die Möglichkeiten, mich auszutoben sind einfach vielfältig und grenzenlos…und am liebsten würde ich den einzelnen Bereichen viel mehr  Zeit widmen. Und da das nicht funktioniert, switche ich halt hier und dort zwischen den verschiedenen Bereichen hin und her und versuche, nichts auszulassen.

Doch worin unterscheiden sich die beiden Möglichkeiten denn nun und für wen sind sie geeignet? Kann man automatisch digital Modellieren, wenn man Erfahrung in der traditionellen Modellierung besitzt? Und geht die Modellierung schneller, wenn man es digital macht? Außerdem kläre ich die Frage, ob und wie man das traditionelle mit dem digitalen Verknüpfen kann.

Klassiche Modellierung

Vorteile

  • man kann direkt loslegen und muss sich nicht erst mit einer Anwendung vertraut machen und diese lernen
  • steile Lernkurve, man wird von Figur zu Figur besser
  • Förderung der Kreativität, Motorik, Vorstellungskraft und Fantasie
  • wirkt entspannend (für mich fast wie Meditation)
  • physische Auseinandersetzung mit dem Medium (Clay/Ton) und den Werkzeugen
  • am Ende entsteht eine echte Figur/Skulptur, welche man dekorativ ins Regal stellen, verschenken oder verkaufen kann
  • für Kinder und Jugendliche geeignet
  • jedes fertige Stück ist ein Unikat

Nachteile

  • Figur muss am Ende des Prozesses gebacken werden (hier ist gibt es einige Dinge, die es zu beachten gibt wie z.B. maximale Höhe der Figur, Backzeit, Temperatur etc.)
  • Materialien und Werkzeuge mitunter kostspielig (jedoch ist die Anschaffung größtenteils nur einmalig notwendig)
  • ggf. wird ein Arbeitsplatz benötigt, da Schmutz entsteht (mein Wohnzimmer ist quasi zur Hälfte auch Arbeitsbereich)
  • man arbeitet an einer einzigen Figur, welcher sich nur mit sehr viel Aufwand vervielfältigen lässt (Resin-Abguss möglich, aber aufwendig)

Digitale Modellierung

 

Vorteile

  • keine Werkzeuge, Materialien oder Modelliermasse notwendig, da alles digital stattfindet
  • kein spezieller Platz notwendig, da man am PC oder Tablett modellieren kann (praktisch, wenn man unterwegs oder im Urlaub ist) und alle benötigten Dinge auf dem Device sind
  • man kann sich Vorlagen erstellen, auf die man bei zukünftigen Projekten zurückgreifen kann um den Prozess der Modellierung zu beschleunigen
  • Modelle lassen sich auch nachträglich immer wieder bearbeiten und verändern (falls einem die Pose nicht gefällt, man den Kopf, Arme oder Beine ändern möchte etc.)
  • Modelle lassen sich vervielfältigen und ggf. über verschiedene Marktplätze verkaufen (Interessant, falls man damit Geld verdienen möchte)

Nachteile

  • evtl. kostspielige, aber einmalige Anschaffung von Hardware und Software notwendig
  • das fertige Modell ist nur digital verfügbar
  • man sitzt die ganze Zeit vor dem Bildschirm (ja, ich erachte das als Nachteil)
  • die Kreativität wird anders gefördert, als bei der klassischen Modellierung (darauf gehe ich später nochmal ein)

Welche Werkzeuge/Toos werden verwendet?

Bei der traditionellen Modellierung verwendet man Werkzeuge aus Holz und Metall, um das Clay zu bearbeiten und zu formen. Jede Art von Werkzeug gibt es in einer Vielzahl von Formen, von spitz und kantig bis hin zu flach, rund oder geschlungen. Es gibt zudem verschieden Sorten von Clay, welche sich in der Konsistenz, Farbe und der Bearbeitung unterscheiden. Da sich meine Seite hauptsächlich um dieses Thema dreht, möchte ich in diesem Beitrag nicht näher auf diese Details eingehen sondern betrachte es oberflächlich. Wenn du dennoch mehr erfahren möchtest, findest du weitere Informationen im Bereich der Modelliermasse.

Beim digitalen Sculpting werden ebenfalls Werkzeuge verwendet, die sich Brushes (Pinsel) nennen. Genau wie beim traditionellen Sculpting formen und gestalten diese Pinsel das Material. Nomad, Blender und Zbrush bieten verschiedene Pinsel wie „move“, „clay“, „crease“ , „inflate“ oder den unverzichtbaren „mask brush“. Jeder dieser Pinsel kann in Bezug auf Radius und Stärke gesteuert werden, was den Werkzeugen aus dem echten Leben nachempfunden ist. Je nachdem, auf welchem Endgerät man modelliert, geschieht dies über die Maus & Tastatur und/oder einem Tablett mit entsprechendem Stift. Hier gibt es eine Vielzahl an Herstellern und Geräten, die sich nicht nur in der Größe Unterscheiden. Manche Tablets besitzen ein eigenes Display, sodass man direkt auf dem Display per Stift modellieren kann. Andere sehen aus wie eine Zeichentablet und besitzen eine matte Oberfläche, sodass man auf den PC-Monitor schauen muss. Manche Tablets sind minimal gehalten, andere wiederum haben zusätzliche Tasten und Wheels verbaut die sich mit Funktionen und Shortcuts belegen lassen. Angefangen von unter 100 € bis weit über mehrere tausend Euro ist hier alles möglich.

Ich persönlich besitze Zbrush für den PC, arbeite aber ausschließlich an meinem iPad Pro (2021) mit  Apple Pen 2 inkl. Tastatur und der App Nomad Sculpt.

Digital vs. Traditionell – Was eignet sich für wen?

Kann man automatisch digital Modellieren, wenn man Erfahrung in der traditionellen Modellierung besitzt? Diese Frage würde ich mit „Jein“ beantworten. Auch wenn die digitale Modellierung eine völlig andere Vorgehensweise voraussetzt, gibt es parallelen zwischen den beiden Arten. Grundsätzlich würde sich sagen, dass jemand mit Erfahrung in der traditionellen Modellierung etwas mehr Verständnis für dreidimensionale Formen und ein gewisses räumliches Vorstellungsvermögen mitbringt, als jemand der direkt in  die digitale Modellierung einsteigt. Dennoch muss man sich in der digitalen Umgebung zuerst einmal zurechtfinden, in die 3D-Anwendungen einarbeiten und die verschiedenen Funktionen kennenlernen.

Am Ende ist die Vorgehensweise bei beiden Arten quasi identisch: Man beginnt mit dem groben Blockout der Grundformen und arbeite sich Schritt für Schritt vor, ergänzt an manchen Stellen Substanz und trägt an manchen stellen Substanz ab. Zu guter letzt erstellt man noch ein paar Details, bringt ggf. Texturen auf das Modell und bemalt es anschließend.

Wenn man sich die Vor- und Nachteile beider Vorgehensweisen anschaut ist es eher eine Frage, wie man persönlich arbeiten möchte, welche Ziele man verfolgt und welche Möglichkeiten man hat.

Was ist schneller – digital oder klassisch?

Diese Frage lässt sich nicht auf Anhieb beantworten. Wie schnell man modelliert hängt tatsächlich von mehreren Faktoren ab, allen voran der Erfahrung welche man im Umgang mit der Modelliermasse, den Werkzeugen oder der entsprechenden Hardware hat. Ich sitze für gewöhnlich ca. 20-40 Stunden an einer Figur, wenn ich diese traditionell modelliere. Am iPad benötige ich i.d.R. etwas länger, da ich mich dort nicht nur auf die Modellierung konzentriere, sondern auch auf die technischen Bedingungen wie z.B. der Größe des Models und Anzahl der Pixel konzentiere. Außerdem gehe ich am iPad öfter mal einen Schritt zurück und bin dazu geneigt, bereits modellierte Teile erneut zu bearbeiten, während ich beim klassischen Sculpting in einem Fluss arbeite und schneller am Ziel bin.

Wie lassen sich die digitale und die traditionelle Modellierung miteinander verknüpfen?

Einer der größten Vorteile, wenn man beide Arten beherrscht, ist die Möglichkeit, das klassische mit dem digitalen zu verbinden. Da ich im Maßstab 1:6 modelliere, fallen mir bestimmte Dinge wie z.B. Köpfe, Gesichter und Hände besonders schwer, weil sie verhältnismäßig sehr klein sind aber sehr viele Details besitzen wie z. B. Hautfalten, Lippen, Ohren etc. Deshalb modelliere ich bestimmte Dinge inzwischen digital, drucke diese dann per 3D-Drucker aus und bringe sie im letzten Schritt an meiner Figur an. Da ich mit Resin drucke, kann ich die Figur im Anschluss nicht mehr backen. Deshalb benutze ich in diesem Fall dann Apoxie, um die unterschiedlichen Teile zu verbinden.

Orc-Kopf

Modelleriert auf dem iPad Pro 2021, mit der App Nomad-Sculpt

3D-Druck vom Orc-Kopf

Vorab mit Chitubox gesliced und dann im Anycubic Photon Mono gedruckt. Anschließend per Hand mit Acrylfarben von Vallejo bemalt.

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